Es war einmal

Es war einmal eine alte Frau, die lebte glücklich und zufrieden auf einer Puszta, die sich in der nördlichen Region Jugoslawiens befand und sich Vojvodina nannte. Ihr Haus war mitten in einem schönem Park gelegen, umwogen von hohen, Schatten spendenden Bäumen, Maulbeerbäumchen und wunderschönen Pfauen, die einem jeden Tag auf’s Neue bewußt machten, in welch einem Paradies man sich befand.

Sie freute sich immer wieder auf’s Neue, wenn ihre Enkelin aus dem reichen Deutschland kam und sie besuchte. Schon ganz früh morgens war das Mittagessen für sie fertig. Die Enkelin haßte es, wenn sie nachts früh morgens die Toilette das Plumpsklo aufsuchen musste, draußen im Garten. Noch mehr haßte die verwöhnte Göhre es, wenn sie zurück kam und das gefühlte drei Meter hohe Bett schon akkurat gemacht war und die schmückende Plastikpuppe mit dem gehäkelten Kleidchen mitten auf dem Bett drappiert war.

Die alte Frau wollte dem Teeny alles recht machen, servierte morgens um sieben schon das perfekte Frühstück, obwohl das heranwachsende Fräulein mit einem Managerfrühstück starken Kaffee und einer Kippe schon happy gewesen wäre. Oder mit einer Sonderrunde Schlaf.

Trinkwasser gab es nicht aus der Leitung. Auf der Puszta wurde das Wasser noch mit Kanistern von einem Brunnen geholt. Und es gab einen „Lavor“, wo man sich morgens die Zähne geputzt hat und sich einer kleinen Katzenwäsche unterzogen hat. Das Wasser stank extrem nach Schwefel und das Prinzesschen hatte sich immer geweigert, es in den Mund zu nehmen um Zahnpastareste auszuspülen, geschweige denn, es als Trinkwasser zu nutzen.

Doch die alte Frau liebte ihre Enkelin und kaufte ihr immer Wasser, damit die Kleine nicht unglücklich wurde. Auch sonst sparte die Oma immer ein bisschen Geld um ihrer Enkelin auch Erfrischungsgetränke kaufen zu können, die sie sich ansonsten nicht leisten konnte. Hähnchenfilets wurden immer frisch zubereitet, denn das Teeny-Mädchen mochte nie fettiges Essen. Deshalb wurde täglich ein Huhn geschlachtet und das verwöhnte Balg musste das Federvieh von ihrem Prachtkleid befreien, nachdem es ihm den Kopf mit der Axt abgetrennt hat.

Es war ein schrecklicher Gedanke, aber es war normal. Fressen und gefressen werden. Auch heute noch erinnert sich das Gör dran, während sie die Innereien einer Forelle entfernt oder den einzigen Zahn eines Tintenfisches rauspuhlt.

Heute denkt das damalige Mädchen mit einem Lächeln im Gesicht über die damalige Zeit nach, über die Erfahrungen, die sich machen durfte, über Plumpsklos, die sauberer waren als manch ein Badezimmer in der Region, über einfaches, schlichtes Leben, gepaart mit Glück und Zufriedenheit, Liebe und Fürsorge. Sie vermisst ihre Oma und die Zeit, die sie mit dem Schimpfen auf die alte Frau verbracht hatte. Wie gern würde sie ihr danken für all das Erlebte, für all die Natürlichkeit, die es heute nicht mehr gibt.

Sie erinnert sich gerne an den Geschmack von Maulbeeren, an die heimlich gerauchten „Partner-Ziggis“, an das ekelige Schwefelwasser oder den alten, vergammelten Kinosaal, in dem sie mit ihren Freunden verstecken spielte, während sie daran dachte, wie ihr Vater dort  als junger Heranwachsender die ersten Filme nach dem Krieg, Tag für Tag, dem Publikum präsentierte….

9 Antworten auf „Es war einmal“

  1. Solche Erinnerungen können wohl nur Menschen ab einem gewissen Alter nachvollziehen. Das alles in eine andere Landschaft projiziert … und schon passt es auch für mich.

  2. Danke für die Geschichte, werte Frau Pssst!.

    Jetzt ist der Zug der Erinnerungen angerollt, an die Jugendzeit auf dem „Lande“. Nur waren es bei mir keine Hühner sondern die kuscheligen und schmusigen Kaninchen mit denen ich morgens noch gespielt habe und Abends in der Bratröhre wiedersah…

  3. Toll! Ich bin in einem türkischen Ghetto aufgewachsen, wir hatten nur ein Plumpsklo und kaum was zu essen, mein Oma hat uns großgezogen und wir sind auf der Straße aufgewachsen die ersten Jahre, und ich habe noch viele Erinnerungen die ich ganz toll finde. Ich vermisse sie ganz doll, meine liebe Oma

  4. Das sind schöne Kindheitserinnerungen an die Oma. Leider habe ich sowas in der Art eher nicht, allerdings muß ich sagen – ein Plumpsklo vermisse ich gar nicht. Wie habt Ihr das nur überlebt?!?! :-O Da reichen mir die Erzählungen meines Dad’s schon, die hatten sowas auf dem Land in Louisiana nämlich auch, als er klein war 😉 Da gibt’s das auch heute noch im Übrigen *hust*
    Meine Großeltern sind alle schon länger tot, leider hatte ich nie enge Bindungen an sie, da wir sie nicht all zu oft gesehen haben. Aber das kommt eben davon, wenn man so viel rumzieht über zwei Kontinente hinweg 🙁

  5. Die Differenz zwischen damals und heute macht es wieder gut, da gebe ich Maxi sehr gerne Recht. An meine Oma habe ich keine Erinnerung mehr, vielleicht auch weil sie sich nicht so rührig um mich gekümmert hat.

  6. Viele Menschen behaupten, wenn man in Erinnerungen schwelgt ist man alt. Andere behaupten, nur wer seine Erinnerungen bewahren kann ist fähig die Jugend zu verstehen. Vielleicht sind auch deshalb Großeltern oft das, was sie sind.
    Ich möchte meine Erinnerungen nicht missen. Wenn ich nichts anderes mehr habe ist das blöd. Ok! Aber immer noch besser als Alzheimer!

  7. Ich weiß genau, wie sich solche Erinnerungen anfühlen. Nur bei mir war es nicht Jugoslawien, sondern Kasachstan und es war kein Besuch, sondern meine Kindheit. Ich weiß auch ganz genau, dass ich nie wieder zurück wollte, nachdem ich einmal in Deutschland gewesen bin. Und ich weiß auch jetzt ganz genau das ich gerne mal wieder zurück würde, aber keine lebenden Verwandten mehr dort habe.

    Man sollte nicht in seinen Erinnerungen leben, aber sie ab und zu herauszukramen, wie alte Fotos ist immer eine schöne Angelegenheit. (Y)

  8. @maksi: möchtest du damit sagen, dass ich ALT (!!!!) bin??? :-O 😉

    @heiko: danke für den koch-tip! (H)

    @spanksen: bei euch sind die toiletten ohnehin normalerweise piko-bello inkl. wasserschlauch! oder? 😉

    @judy: also ehrlich, wenn ich die wahl hätte im amyland in einer großen city oder etwas außerhalb zu wohnen, ich denke, ich würde auch das zweitere nehmen. richtig mit klischee. rasen mähen, auto waschen, schöner kugelgrill im garten etc…. 😉 bei uns auf den dörfern ist es im übrigen auch heute noch so. (müssen aber schon mini-dörfer sein, ganz weit weg vom schuss!) 🙂

    @ruediger: naja, großeltern, die man im jahr nur kurz sieht, kümmern sich, denke ich, automatisch viel zu viel. ist quasi ja auch wie keine großeltern…. :-S

    @maxmatthias: alzheimer? hääää? (H) (btw: sehr schöner kommentar!!!) (F)

    @alex: hmm… ich habe ein haus dort. aber alleine dort eine gewisse zeit zu sein, stelle ich mir auch strange vor… 🙁

Schreibe einen Kommentar zu MaxMatthias Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert