Wie paralysiert

Ich muss Euch jetzt mal etwas erzählen und bitte, haltet mich nicht verrückt. Die Sache geht mir jetzt seit Dienstag Abend sehr nach. Jeden Tag denke ich daran und heute kullerten auch ein paar Tränchen. Es nimmt mich mit. Total.

Einige von Euch wissen, dass ich letzten Dienstag meine erste Spanisch-Stunde hatte. Die Volkshochschule ist ein Altbau, der auch riecht, wie Omma Kasulke unterm großen Onkel. Ekelig. Nun gut, das Gebäude hat vier Stockwerke und ja, der Kurs findet im obersten Stockwerk statt, war ja klar.

Viele Treppen, bis man oben ist, der Mief, aber man kommt irgendwann schnaufend an. Ok, der Unterricht an sich war unspektakulär, hat Spaß gemacht und das spanische Alphabet hat es in sich!

Um 19 Uhr war dann Schluss, ich packte meinen Kram zusammen und während ich so mit dem iPhone in der Hand, twitternd, die Treppen runter lief, sah ich einen älteren Mann, ca. 70 Jahre alt auf einer Etage auf dem Stuhl sitzen.

Ich erblickte ihn und er starrte mich an. Es hat sich angefühlt, als wenn es Stunden gedauert hätte, Zeitlupe, das Handy in der Hand vergessen, total fixiert waren unsere Blicke. Ich bekam wahnsinnige Gänsehaut (auch jetzt gerade, wo ich das hier schreibe), denn dieser Mann sah GENAU SO aus wie mein Dad, als ich ihn das letzte mal sah. Es hätten Zwillinge sein können (und mein Nachbar spielt gerade volle Lotte „Shine on you crazy diamond„, boah…..).

Es war ein warmes, gutes Gefühl, ich kann es nicht beschreiben, vertraut. Ja, das ist das Wort: VERTRAUT. Ich bin immer noch geplättet von diesem Herrn, der ganz erbärmlich zusammengekauert auf diesem Stuhl saß und mich anstarrte. während ich die Treppen runter kam. Als wenn er mir mit seinem Blick was sagen wollte. Ich bin fast über die letzten beiden Stufen der Etage gestolpert, so fixiert waren wir aufeinander.

Leute, das geht mir wirklich total nach. Ich sehe diesen Mann seit Dienstag jeden Tag vor meinem inneren Auge, den Blick, die eisblauen Augen – meine Augen.

WAS bedeutet das? Wer ist dieser Mann? Werde ich ihn beim nächsten Besuch der VHS wieder sehen?

Ich habe Angst.

15 Antworten auf „Wie paralysiert“

  1. Ich weiss gar nicht was ich darauf sagen soll. Ich kann dich voll verstehn. Einerseits dieses „Vertrautete“ und die „Sehnsucht“ in einem fremden Menschen wieder zu finden und andererseits doch die Angst im Nacken, was dies zu bedeuten hat.
    Ja, es gibt Dinge, die kann man nicht erklären. Sie kommen – ohne Grund.
    Und die flashen uns. Man kann es als Zeichen sehn…. ich weiß es nicht.
    Doch solltest du ihn wieder sehn, dann lächle diese vertrauten eisblauen Augen an.
    Manno, irgendwie bin ich auch nach dem Artikel spachlos. (F)

  2. Puh, Hammer. Gänsehaut. Vielleicht solltest Du ihn, sofern Du ihn nochmal siehst – ansprechen. Ein einfaches Hallo. Einerseits wünsche ich Dir ja, dass Du ihn wiedersiehst, schon allein um mehr herauszufinden, aber andererseits – wenn Du Angst hast wär es wohl nicht so zuträglich ihm wieder über den Weg zu laufen. Aber im Prinzip ists schwer, da überhaupt irgendetwas zu zu sagen oder zu raten oder wie auch immer – vielleicht ist es wirklich ein Zeichen!

  3. So wie du geschrieben hast, dachte ich erst, es waer nen Geist. Hihihi… Ich wuerde dir raten, ihn anzusprechen, falls du keine Angst hast. Aber wovor solltest du Angst haben…?

  4. Eines vorneweg: Ich mag deinen Nachbarn. DICH mag ich natürlich auch. Und jetzt, wo ich dich in meinem Artikel verlinkt habe, magst DU mich hoffentlich auch wieder. ;-(

    Sprich den Mann an. Das läuft dir sonst dein Leben lang nach. („Ach hätte ich doch damals…“)

  5. Wenn Du ihn wieder siehst, sprich ihn doch einfach an. Erzähl ihm davon. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass zu wenig Menschen mit Älteren sprechen und die freuen sich sehr darüber.

    Vielleicht erzählt er ja etwas von sich, eine spannende Geschichte. Ein Versuch ist es wert. Irgendwie schön…

  6. Durch diese Ähnlichkeit sind lang unterdrückte Wünsche und Sehnsüchte hervor gekommen.
    Sowas ist schlimm, schön aber auch beängstigend.
    Ich denke auch versuche einfach ein Gespräch mit ihm anzufangen, einfach um für dich selber Ruhe zu finden in deinem momentanen Gedankenchaos.
    Lass dich mal lieb drücken!

  7. Ich sehe es genauso wie Torsten. Vielleicht ging es dem Mann ja auch nicht anders, vielleicht erinnerst Du ihn auch an jemanden?
    Einfach morgen ansprechen, auch wenn es vielleicht Überwindung kostet: ein nettes Gespräch kommt dabei vielleicht heraus. Und eine spannende Geschichte.

  8. Manchmal sieht man dinge, die man gerne sehen möchte… nachdem mein Dad gestorben ist, habe ich auch hin und wieder mal Menschen gesehen, die ihm total ähnlich sahen oder zumindest in bestimmten Bereichen sehr ähnlich waren. Waren sie nicht, früher hätte ich das sofort gemerkt, aber ih wollte es sehen, es hat gut getan das zu sehen und darum war das auch so. Und das ist an sich ja nichts schlimmes.

    Und ja, rede doch mal mit ihm. Musst ihm das ja nicht gleich an den Kopf werfen und wenns nicht geht, reicht ja auch erstmal ein „Guten Abend“ oder sowas 🙂

    Und Angst musst du garnicht haben, vor was denn? Etwas schlimmes passieren wird sicherlich nicht. Also wenn er wieder da ist, mach einfach nach was du dich fühlst…

    Und bitte nicht stolpern, das tut weh 😉

  9. boah leute, ok, morgen fällt spanisch leider aus, aber ich bin gespannt, wie das nächste woche wird. ob ich ihn wirklich nochmal sehe und wie ich spontan reagiere. ich möchte hier und jetzt nichts planen. es kommt, wie es kommt. :-S

  10. Bei deinem Bericht läuft es mir auch heiß und kalt den rücken runter …
    was du auch tust es wird bestimmt das richtige sein .
    Wünsch dir alles gute!!!

    Liebe grüße Petra

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